Keramik Manufaktur Kupfermühle
25551 Hohenlockstedt, Gleiwitzer Straße 14
Die Firmengeschichte 1948 - 1982 Teil 2
1969 Ein Anbau mit 350 qm erweitert die Dreherei (Dreherei = halbmaschinelle Rohformung auf Gipsformen und Rotationspressen mit Stahlformen ohne Gips) angebaut. In den nächsten 4 Jahren verdoppelt sich der nominale Umsatz, es wird eng im Betrieb. Lieferzeit über 6 Monate, ständiger Auftragsboom. Arbeitskräfte werden knapp. Abwerben kann man nur mit höherem Lohn, aber dann passt der neue Mitarbeiter ins vorhandene Lohngefüge nicht hinein und treibt es nach oben. Wir könnten viel mehr verkaufen als wir herstellen.
Das dunkelblaue Programm VIOLA katapultiert den ganzen Laden regelrecht nach oben, auch finanziell, weil nun rationelle Stückzahlen produziert werden können.
Dabei ist der technische Standard immer noch zeittypisch und nach heutigen Maßstäben eine unverantwortlich schindende Knochenarbeit, wie man sie nur noch in rückständigen Entwicklungsländern sieht. Stundenlang werden 50-Kg-Säcke mit Hand und Schubkarre gestapelt wenn Ton, Glasur oder Gips geliefert wird. Auch in anderen Industriebetrieben ist das normal. In Lägerdorf werden damals noch 100-Tonnen-Kähne von Hand mit Zementsäcken gefüllt und über den Breitenburger Kanal, Stör und Elbe nach Hamburg gefahren. Schutzbrillen, Sicherheitsschuhe, Helme, Handschuhe und Gehörschutz sind noch keineswegs selbstverständlich.
Erst 1975 leistet sich die KMK einen Gabelstapler und beginnt mit Paletten zu wirtschaften, und erst Jahre später traut man sich, Paletten hoch oben in Regale zu stellen. Bis 1975 werden auch die Rohstoffe mit Spaten und Staubwolke in der Schubkarre auf die Waage gestellt und dann, nächste Staubwolke, in den Rührbottich geschüttet. Alle Männer rauchen, auch die Hälfte der Frauen.
1970 Auf der Herbstmesse in Frankfurt kommt der Düsseldorfer Fritz Neubauer aus Spanien mit dem Angebot, die KMK soll mit ihrem Know-how und spanischem Geld eine nagelneue Fabrik in der Nähe von Valencia errichten, Planung von A-Z., inklusive Design, Glasuren, Training der Belegschaft etc. Basis der Zusammenarbeit ist Umsatzprovision und Ersatz aller Aufwendungen. Die Ära Franco geht dem Ende entgegen, seriöse und sehr wohlhabende Geschäftsleute möchten ihr Geld anlegen. Die KMK stößt an ihre Produktionsgrenzen, kann und will nicht uferlos expandieren und möchte aus Spanien "eigene" Produktion dazukaufen. Die Arbeitskräfte dort sind hervorragend, hochmotiviert und relativ billig. Das hat für beide Seiten Sinn, sollte man meinen.
1971 Mit den Spaniern sind wir einig. Die neue Firma wird eine Aktiengesellschaft und heißt MANUFACTURAS PORTA CELI S.A. Ein Grundstück wird ausgesucht, in Betera bei Valencia. Ein Betriebsleiter – Werner Hahn, Deutscher in Venezuela - wird gefunden. Er zieht mit seiner Familie nach Spanien um. Die Vorbereitungen ziehen sich über 1972 hin.
1973 Die Produktion in Betera beginnt mit Viola und Dekor 27.000, das zu Hause bei uns nicht so erfolgreich wird. Dafür ist Dekor LIMA 26.000 wieder ein Treffer und beschert uns weitere Verlängerung der Lieferzeit.
Das anschließende MANGO wird ein Flop.
Kristiane Kramolowski verläßt uns, heiratet und geht nach Oberfranken zur "Massemühle Wagner" als Töpfermeisterin.
Die Lieferungen aus Spanien enttäuschen in der Qualität. Weder Scherben noch Sortierung entsprechen dem Gewohnten; außerdem verkaufen die Spanier im eigenen Land zu höheren Preisen – das Projekt „Zulieferung“ wird still beerdigt.
1974 Der Himmel hängt wirtschaftlich voller Geigen, aber der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften wird immer prekärer. Zusätzlich droht der Verlust an Spitzenkräften, die zwar gut verdienen, aber sich ausrechnen, daß sie ihr Leistungsniveau nicht bis zum Rentenalter durchhalten werden. Die letzten 10 Jahre würde das Einkommen sinken, mit Folgen für die Rente. Es kommt zum Abwandern sehr qualifizierter Leute, obwohl das für sie erhebliche Einbußen im Einkommen bedeutet. Aber man will garantierte Sicherheit des Einkommens auch bei nachlassender Leistung; diese Jobs sucht man, solange einem noch überall Arbeit nachgeschmissen wird. Es wird geprüft, ob man diesem Problem durch Einrichten einer Ausgleichskasse für ältere Mitarbeiter begegnen kann, ohne die Firma mit einer gefährlichen Hypothek zu belasten.
Aus einer Flut von Überlegungen, die gemeinsam mit einem Gremium aus der Belegschaft angestellt werden, mündet das in die Idee, die Belegschaft zu 50% an der KMK zu beteiligen, am Besitz, am Gewinn, an den Entscheidungen. Nach umfangreichen Beratungen durch Anwälte usw. wird die Gründung einer „Genossenschaft der Belegschaft“ beschlossen.
Diese Luxusprobleme kann man sich aus der Sicht des 21.Jahrhunderts überhaupt nicht mehr vorstellen. Keramik erlebt dem Zeitgeschmack (Eiche, alles urig rustikal) entsprechend einen lang anhaltenden Boom, und die KMK innerhalb des Booms eine Firmenkonjunktur. Deren Grundlage ist die Spezialität „Glasurmalerei“, deren reliefartige Struktur bis heute nicht maschinell zu realisieren ist, und der man die Handarbeit intuitiv ansieht.
Dass zu dieser Zeit eine Ölkrise die Wirtschaft erschüttert, und dass als Vorboten der Globalisierung schon damals Schuh- und Textilindustrie leise weinend aus Deutschland verschwinden, dringt nicht bleibend ins Bewusstsein.
1975 Die Nachfolge der Entwerferin Kristiane Kramolowski tritt Uwe Lerch an, der, nach einer Ausbildung als Lehrer, Töpfer wurde. Als Meister betreibt er mit seiner Frau zusammen eine Werkstatt von hohem Niveau. Er ist voller Vorurteile gegen das kapitalistische Wirtschaften und nie wirklich loyal der KMK gegenüber. Seine Entwürfe brauchen viel Zeit, sind ästhetisch sehr gelungen, aber oft schwer in die Praxis umzusetzen. Daß solche Problemchen in der Zusammenarbeit mit Designern und überhaupt mit künstlerischen Mitarbeitern als typisch und normal anzusehen sind, begreifen wir damals nicht.
Der Auftragsboom dauert an. Wir gewöhnen uns allmählich daran, dass die KMK nach 25 Jahren Existenz endlich regelmäßig gutes Geld verdient. Konkret bedeutet das eine Umsatzrendite von 8-10%, die über mehr als zehn Jahre gehalten werden kann. Nach heutigen Maßstäben ist das wenig, damals galt es als viel und innerhalb der Branche war es ein Spitzenwert.
Die Genossenschaft ist gegründet und wird Mitglied im Norddeutschen Genossenschaftsverband. Aus der Keramik Manufaktur Kupfermühle Walter Nawothnig KG wird nun die KERAMIK MANUFAKTUR KUPFERMÜHLE GmbH & Co KG. Neu entstehen die KERAMIK MANUFAKTUR KUPFERMÜHLE GmbH als Komplementär der neuen Firma und eine PETER NAWOTHNIG KG, die aus steuerlichen Gründen die bis dahin vorhandenen Immobilien für die GmbH & Co KG hält.
Bis in die erste Hälfte der 80er Jahre funktioniert die Genossenschaft gut, bei reger Mitarbeit der Belegschaft, obwohl nur wenig Geld ausgeschüttet wird. Gewinne werden zum größten Teil für Kreditrückzahlungen und Investitionen verwendet. Die Genossenschaft baut ihren Kapitalanteil von 50% an der KMK innerhalb einiger Jahre durch bevorzugte Gewinnzuweisung auf.
Ein weiteres Shed wird angebaut (Dreherei), die Finanzen sind saniert, das Eigenkapital liegt trotz Wachstum immer über 50%. Von diesem goldenen Jahrzehnt werden wir die letzten 15 Jahre zehren.
1976 ?? Da gab es wohl nchts Aufregendes.
1977 Das gesamte Tonlager wird überbaut und unter einem Dach zusammengefaßt. Die Be- und Entlüftung wird saniert. Die Dekore MORA und GERONA sind erfolgreich, der Umsatz hat sich in 8 Jahren vervierfacht, der Gewinn auch.
1978 Aus Spanien besuchen uns 40 Mitarbeiter der PORTA CELI auf einer Betriebs-Bus-Rundreise durch Europa, ein für damalige spanische Verhältnisse umwerfendes Unternehmen. Alle wohnen hier bei Mitarbeitern der KMK, keiner im Hotel.
1979 Im Mai machen 40 Mitarbeiter der KMK einen Gegenbesuch in Betera. Per Flugzeug nach Gerona, von dort per Bus nach Valencia. Bus-Rundreise, Betriebsfest in Betera mit allgemeiner Verbrüderung usw.
Das Büro wächst erheblich, indem ein Innenhof (ohne Baugenehmigung, aber mit viel Glas) überbaut wird. Am Horizont tauchen erste dunkle Wolken auf.
1980 Das Geschäft wird zäher. Neue Dekore bringen wenig Umsatz. Sie erfordern endlose Entwicklungszeit, was u.a. auch an fehlender Erfahrung mit bleifreien Glasuren liegt. Ein ehemals Hamburger Schulpavillon wird als Frühstücksraum hinter das Lager gesetzt. Die produzierte Warenmenge beläuft sich auf etwa 400 Tonnen im Jahr.
1981 Dekor SKIVE wird zwar auf der Frühjahrsmesse gut verkauft, bleibt aber im Handel wie Blei stehen und erschüttert das Vertrauen in den Selbstgänger KMK. Noch im Weihnachtsgeschäft brechen die Aufträge ein. Trennung von Uwe Lerch.
Kristiane Werner kommt samt Ehemann Christian zu uns zurück. Er wird Einkäufer und Prokurist und entwickelt sich bald zum "Organisator für Alles".
Die ersten direkten Konkurrenten gehen Pleite, ohne daß uns das nützt, denn die Importe werden immer stärker.
1982 Ein Frühjahr mit Kurzarbeit. Es beginnt die Zeit, in der Frühjahr und Sommer schwierig im Verkauf und im Ertrag sind (bis hin zu Kurzarbeit) wo aber durch ein gutes Herbstgeschäft am Jahresende doch noch eine Steigerung in Umsatz und Gewinn herauskommt. Das geht so bis 1985.