Keramik Manufaktur Kupfermühle

25551 Hohenlockstedt, Gleiwitzer Straße 14

Die Firmengeschichte 1982 - 1983 Teil 3

Exkurs III, ein wenig Technik

Ernst-Peter Nawothnig tritt nach 3 Jahren als Laborleiter der Wächtersbacher Steingutfabrik wieder in die KMK ein und erneuert allmählich die technologische Basis (Rollerfertigung, bleifreie Glasuren, Eigenentwicklung statt in ihrer Zusammensetzung unbekannter Fertigglasuren, Ertüchtigung der elektrischen Brennöfen auf präzise Temperaturverteilung).

Die Produktionstechnologie wandelt sich zunehmend vom auf Bestellung arbeitenden Handwerksbetrieb zur kleinindustriell auf festen Lagerbestand zielenden Arbeitsweise, um trotz steigender Sortimentsbreite und längeren Durchlaufzeiten anspruchsvoller Ware ständig lieferfähig zu bleiben.

Von jeder Mechanisierung verschont bleibt dabei die Handmalerei, unser Markenzeichen, das für Nachahmer zu aufwändig ist. Handwerksbetriebe können die technische Glasur- und Dekorentwicklung nicht leisten. Sie haben auch nicht den Maschinenpark, den man für Seriengeschirr braucht, denn Töpferscheibe und geniale Handformung reichen dafür keinesfalls aus. Industriebetriebe wiederum bestehen auf maschineller Dekoration. Dazwischen liegt unsere Nische als Manufaktur mit 20 Malerinnen, die wir in der Werbung penetrant nach vorne stellen. Ausschließlich Malerinnen - Männer sind für diesen Job wenig geeignet.

immer noch 1982 Großer Ärger mit Porta Celi. Seit 1980 die drei wichtigsten Leute gestorben sind - Neubauer, der spanische Geschäftsführer und der Hauptaktionär - und seit die Aufsichtsratsposten von Fremden besetzt wurden, haben dort Gauner das Sagen. Die können alles allein viel besser, sind stolz und skrupellos nur noch darauf bedacht, uns loszuwerden.

Wir trennen uns per Ende 1985, weil wir uns nicht behaupten können und keine Lust haben, in Spanien unabsehbar teuer und langwierig zu prozessieren. Danach verlieren wir Porta Celi aus den Augen.

Ein touristischer Besuch 2005 ergibt, dass das Firmengebäude voller Gerümpel ist, das mit Keramik nichts mehr zu tun hat. 2020 existiert die Firma noch und befasst sich lt. einer sehr mageren Website mit dem Handel von Bad-Artikeln.

1983 Damit wir das Angebot in Dekoren noch ausweiten können, wird trotz Auftragsproblemen noch ein Shed angebaut, im vorderen Bereich Glasur/Spritzerei/Ofenbetrieb. Die Belegschaft pendelt in diesen Jahren um 80 Köpfe, entsprechend 70 Vollzeitbeschäftigten.

Exkurs IV, Markt und Vertrieb

Über Jahrzehnte konstant bleibt das Vertriebskonzept, das für Firmen unserer Größenordnung und in unserer Branche ohne Alternative ist. Kunde ist „der deutsche Fachhandel“, der von Handelsvertretern besucht und betreut wird. (Handelsverteter arbeiten für mehrere nicht miteinander konkurrierende Hersteller oder Importeure und präsentieren beim Kunden Angebote in mehreren Abteilungen, beispielsweise Keramik + Glas + Holz + Heimtextil. Dadurch wird ihre Reisetätigkeit wirtschaftlich.) Darüber hinaus sieht man sich auf den Frankfurter Messen im Februar und August und anlässlich einiger Vertreter-Einkaufstage, die vom Hause unterstützt werden. Wir haben etwa 50% GPK Geschäfte (Fachbegriff für Glas, Porzellan, Keramik) und 50% Kunstgewerbe-Läden, bzw. Geschenkboutiquen als Abnehmer und liegen preislich im gehobenen Bereich, d.h. die Ware ist beratungsbedürftig und geht nicht in Kaufhäusern. Kaufhäuser gelten zu dieser Zeit (50er, 60er, 70er Jahre) allgemein noch nicht als Qualitätsanbieter und können dem Fachhandel weder vom Personal noch von der Warenpräsentation her das Wasser reichen. Ihre Stärke ist das umfassende Angebot "alles unter einem Dach" in mittlerer Qualität zu mittleren Preisen.

Einige Zahlen: 2000 lebende Kunden, A-Kunden sind definiert mit über 15.000 DM Jahresumsatz, eine Handvoll Bestkunden liegen um die 50.000 DM. Die Masse des Geschäfts läuft mit mittleren Kunden zwischen 3.000 und 10.000 DM Jahresumsatz. Die typische Auftragsgröße liegt bei 2 - 3.000 DM.

Ständig zu leisten ist die Versorgung von Handelsvertretern, Kunden und Fachpresse mit Produktfotos, Musterstücken und immer aktuell zu haltenden Faltprospekten. Branchenüblich als Massendrucksachen zur Weitergabe an Endkunden, je 1 Prospekt im Format A5 pro Serie.

Anfang der Achtziger Jahre, als der Bedarf ständig zunimmt, wird dafür ein eigenes Fotostudio mit Bühne, Blitzgeräten und Großformatkamera eingerichtet. Sehr aufwändig und zeitfressend, denn von Digitalfotografie und eigener Bildverarbeitung ist man damals noch Lichtjahre entfernt. Das Fotolabor Kaack in Itzehoe hat gut zu tun ... Von den dort entstandenen Großformat- und Mittelfortmatfotos ist fast nichts erhalten geblieben, weil die Verfärbungen der Fotochemie nach Jahrzehnten unweigerlich in den Müll führen. Kleinbild-Schwarzweissmaterial aus der Frühzeit ist dagegen taufrisch geblieben.

Ein ständig bewusstes Problem ist die mangelnde Betreuungsmöglichkeit. Die Spitzenkunden sind nicht das Problem, über die weiß man viel und kennt sie persönlich. Aber welcher von den 500 mittleren Kunden hätte mehr Potential? Nur wenn man ihn sicher identifiziert, kann sich zusätzlicher Aufwand lohnen, wobei man immer wieder erlebt, wie entscheidend alles vom guten Draht des Vertreters zu den Entscheidungsträgerinnen abhängt. Durch Mitreisen mit den Vertretern versucht man die Hand am Puls des Marktes zu halten. Da sich ein „Werks-Außendienst“ niemals rechnen würde, muss man damit leben, dass Handelsvertreter ihren Markt nicht vollständig ausschöpfen und dass ihnen keine Zeit bleibt, vertriebliche Alternativen zu erkunden. Diese Schwäche bremst auch den Export, der sich deshalb mit wenigen Ausnahmen auf den deutschsprachigen Raum beschränkt.

Das Geschäftsjahr nimmt im Einzelhandel einen eingespielten Verlauf, auch bei unseren Wettbewerbern.

1. Im Januar füllt der Handel die Lücken, die das Weihnachtsgeschäft gerissen hat.

2. Im Februar kommen die Neuheiten der Frankfurter Frühjahrsmesse auf den Markt.

3. Mit diesen Neuheiten im Gepäck besuchen die Vertreter bis in den April hinein alle Kunden, die nicht auf der Messe gewesen sind.

4. Zusammen mit den täglichen Kleinaufträgen und Kundenkommissionen reicht der Auftragsbestand dann bis in den Sommer.

5. Im Juli sind alle Aufträge erledigt – wir machen 4 Wochen Betriebsferien.

6. Im August reichen die inzwischen eingegangenen Aufträge irgendwie zum Weitermachen, und es werden Neuheiten für die Frankfurter Herbstmesse anproduziert.

7. Im September kommen die Messeaufträge, kleinere für sofort und große für das Weihnachtsgeschäft, die ab Ende Oktober zu liefern sind.

8. Das Weihnachtsgeschäft, immer der stressreiche Höhepunkt des Geschäftsjahres, geht bis zum 10.Dezember. Danach kann der Handel nichts mehr aufnehmen, und wir füllen unser weit runter gefahrenes Lager auf.

9. Mit der Weihnachtsfeier ist das Jahr zu Ende. Am 2. Januar geht es weiter.

Das zweite Bein ist der hauseigene Kleinverkauf. Ursprünglich wurde nur 2.Wahl angeboten; ganz wenig mogeln wir reguläre Ware drunter, um das Angebot abzurunden. Die Preise entsprechen etwa den Händler-Einkaufspreisen. Der Fachhandel nimmt an diesem Werksladen ständig Anstoß und macht sogar Testkäufe – hier sichtbar Gas zu geben könnte großen Schaden anrichten. Wenn der Handel wüsste, dass da auf 50 qm Verkaufsfläche rund 1 Mio. DM Jahresumsatz (Maximum Mitte der 80er Jahre) gemacht wird, wäre der Teufel los.

An dieser Stelle muss etwas zu Preisen und Kosten im Einzelhandel gesagt werden. Zu Lebzeiten der KMK beträgt der Faktor vom Netto-Wareneinkaufspreis hin zum Endpreis mit MWST. im Laden 2,3 bis 2,4 bei damals 11% Mehrwertsteuer. Für Billgware aus Fernost gilt ein Kalkulationsfaktor von 3 bis 4.

Das weiß das Normalbürger damals wie heute in der Regel nicht und vermutet einen Aufschlag in der Größenordnung von 20%, also Faktor 1,43 mit heutiger MWST von 19%. Das ist megaweit von der Kostenwahrheit im Handel entfernt. Selbst im reinen Onlinehandel dürfte der Faktor bei Kleinwaren heute bei 3 und für Großgüter wie Möbel immer noch bei 2 liegen, ohne dass normale Händler davon steinreich werden. Amazon natürlich .... Immer schon überstieg im Konsumgüterhandel der Aufwand für Sortimentsaufbau, Lagerbestand, Einkauf, Fracht, Präsentation, Ladenmiete, Werbung, Verkaufs- und Verwaltungspersonal, Umbauten/Renovierungen, Energie, Kreditzinsen, Verramschen von Ladenhütern und letztlich auch Unternehmerlohn deutlich die Herstellkosten der Lieferanten.

Kommentar des Verfassers: Man wundert sich oft, dass solche alltäglichen Fundamentaldaten praktisch unbekannt sind. Wirtschaftliche und technische Allgemeinbildung außerhalb der eigenen Berufsumgebung ist kaum noch angesagt. Kleine Betriebe wie die KMK sind darauf aber zwingend angewiesen, da geht es nicht ohne Vielseitigkeit und die Fähigkeit zur Improvisation, auch bei völlig fachfremden Aufgaben.

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