Keramik Manufaktur Kupfermühle

25551 Hohenlockstedt, Gleiwitzer Straße 14

Die Firmengeschichte 1996 - 1998 Teil 6

1996 Trotz großer Probleme haben wir eine schwach rote Null erwirtschaftet und könnten noch lange leben, wenn sich das Umsatzniveau (derzeit noch 4,6 Mio. DM) halten ließe. Allerdings wäre es die unterste Grenze.

Die Produktion geht auf 120 Tonnen Fertigware im Jahr zurück, wobei frühere Tonnagen nicht vergleichbar sind, weil die Ware jetzt wesentlich höher veredelt wird. Vergleichbar ist aber die Tonnage pro Artikel im Sortiment: Ende der 70er Jahre werden etwa 1,2 Tonnen Ware pro Artikel und Jahr verkauft. Dieser Wert ist 20 Jahre später auf nur noch 200 kg gefallen. Diese Entwicklung beschleunigt sich zusehends, mit bösen Folgen für die Produktivität. In den letzten drei Betriebsjahren der KMK sind so die Stückkosten in der Produktion um 20% gestiegen.

Im Kleinverkauf erweitern wir das Angebot um Handelsware, die im Preisniveau 30 bis 40% günstiger liegt. Das Kontrastprogramm kommt von der Rheinsberg-Keramik, eine schlichtere gemütlich-traditionelle Ware, die mit dem Stil der KMK nicht konkurriert und konservative Kunden ansprechen soll, die heimlich oder offen den Siebziger Jahren nachtrauern. Der Erfolg ist mäßig. Es lohnt sich das Angebot aufrecht zu erhalten, aber neue Chancen eröffnen sich damit nicht.

1997 Schlagartig fällt der Umsatz ab Januar um ein Drittel und drückt uns unter die letzte Schmerzgrenze. Im Laufe des Jahres wird die Belegschaft um 20% reduziert, und das sind längst auch die guten Leute. Einige gehen von sich aus, so tun sich unerwartete Lücken auf, aber wer Augen im Kopf hat sieht das Ende kommen und zuckt nur noch mit den Schultern.

Um beweglicher zu werden (z.B. anlehnen an einen Konzern, notfalls Verkauf für 1 DM) müssen wir die Genossenschaft wegen ihrer weitgehenden Mit-Entscheidungsrechte loswerden. Diese Genossenschaft führt seit Jahren nur noch ein Schattendasein, das Interesse der 2. und 3. Generation der Belegschaft (die Gründer sind alle weg) ist null. Mühsam wird die Satzung geändert, damit die GmbH alle Anteile an der Genossenschaft aufkaufen kann. Letztlich hat jeder Genosse vor dem Untergang der KMK noch 500.- DM in der Hand, von der Familie Nawothnig privat eingezahlt. Der Genossenschaftsverband betätigt sich als Bremser gegen die Interessen der Genossen und faselt von "Werthaltigkeit, die man nicht verschenken darf". Da herrscht offenbar kein Durchblick. Er wird mit anwaltlicher List vor vollendete Tatsachen gestellt. Das Jahr endet trotz Auflösung der letzten stillen Reserven mit 321.000 DM Verlust.

Im stillen Kämmerlein stellen wir fest: Plus und Minus gegeneinander aufgerechnet, haben wir seit 12 Jahren keine müde Mark mehr verdient. Wir haben Arbeitsplätze geboten und Steuern gezahlt, aber den Unternehmenszweck permanent verfehlt. Überhaupt hat die KMK in den 49 Jahren ihrer Existenz rund 35 Jahre lang schlecht bis gar nichts verdient, was allerdings in unserer Branche „normal“ und schon deswegen langfristig ein Todesurteil ist. Über einige Jahrzehnte gesehen dürfte die durchschnittliche Umsatzrendite vor Steuern branchenweit bei 3-5% gelegen haben.

Auf welches Wunder sollen wir noch hoffen?

1998 Der Umsatz bricht im Januar und Februar noch einmal um fast ein Drittel ein, der Markt ist offenbar nicht mehr vorhanden. Die vielen Negativeffekte verstärken sich gegenseitig, auf der Frühjahrsmesse in Frankfurt werden wir nur noch von wenigen Kunden besucht. Nun wird für jeden sichtbar, dass es der Firma schlecht geht, denn wir haben den Messestand halbiert. Eigentlich hätten wir gar kein Geld mehr für die Messebeteiligug ausgeben dürfen - aber das wäre einem Selbstmord auf offener Bühne gleichgekommen.

Exkurs VIII, Markt und Preisniveau

Dabei sind die Rückgänge vor allem preisbedingt. Beliebt ist die Ware im stark geschrumpften Einzelhandel immer noch, es gibt nichts Vergleichbares am Markt, aber Handel und Verbraucher hätten sie gerne um 60% billiger. In dieser Größenordnung ist man sich ziemlich einig und sagt es uns mit anklagendem Tonfall ins Gesicht. Das ist eben die Konsequenz der Importschwemme aus Billiglohnländern einerseits, und der unglaublich gestiegenen Produktivität der echten Industrie andererseits. Wenn letztlich alle Konsumgüter zu Ramschpreisen angeboten werden, erscheint die mit deutschen Lohnkosten handwerklich hergestellte Ware exotisch teuer, zumindest im Bewußtsein des Verbrauchers. 1973 bekam man für 1 Bohrmaschine 8 KMK-Teekannen, 1998 ist das Verhältnis 1:1. Bei uns kostet die Fertigungsstunde mit allen Nebenkosten 35 DM; der Töpfer in Indonesien aber kostet nur 3 DM - am Tag, nicht pro Stunde!

Das Gedankenspiel, wie man auf „60% billiger“ kommen könnte, geht ganz einfach: Alle Mitarbeiter der KMK und die Handelsvertreter müssten ohne Lohn arbeiten - dann wäre das Ziel erreicht, und sogar ein Gewinn wäre wieder möglich.

Aber nicht einmal der Industrie unserer Branche ging es besser. Hier einige markante Beispiele mit großer Bandbreite:

Hutschenreuther

(damals mit den Marken Hutschenreuther, Arzberg, Tirschenreuth, Bauscher, Schönwald): Im Segment Haushaltsporzellan hatte dieser Konzern über viele Jahre jeweils etwa 300 Mio. DM umgesetzt. Im letzten Geschäftsjahr 1996 waren es noch 136 Mio. DM bei 35 Mio. Verlust. Diese Zahlen nannte der Vorstand als Begründung für sein Vorhaben, 2000 Arbeitnehmer zu entlassen und sich ganz auf Gastronomieporzellan zurückzuziehen.

weiter mit Winterling

Letztlich ermöglichte der Freistaat Bayern mit 10 oder 20 Mio. DM Mitgift (die Gerüchte nennen unterschiedliche Zahlen) die Übergabe an den Winterling-Konzern. Dieser war dann drei Jahre später ebenfalls insolvent. Hutschenreuther und Winterling als ehemalige Branchengrößen hatten damit aufgehört zu existieren.

Die Hutschenreuther-Produktion von Gastronomieporzellan hat unter der Marke BHS tabletop überlebt und macht ca. 100 Mio Euro Jahresumsatz (2018). Es heißt, dass man auf dem Markt der „beweglichen Hotels“ besonders erfolgreich sei. Damit sind die Kreuzfahrtschiffe gemeint.

Rosenthal, mit Thomas Porzellan

Die Firma machte etwa 250 Mio DM Umsatz, war aber unprofitabel und wurde 1997 an den wesentlich größeren britischen Wedgwood-Konzern zu einem symbolischen Preis verschenkt. Man importierte schon damals viel Ware aus eigenen Werken in Thailand und Südafrika. Anfang der Neunziger Jahre beschäftigte man in Deutschland noch 3000 Menschen. Fünf Jahre später verkündete der Vorstandsvorsitzende Otmar Küsel, man sei dabei, sich zur reinen Vertriebsorganisation mit 300 Leuten zu wandeln. Das scheint nicht geklappt zu haben. Nachdem man um das Jahr 2000 noch Reste von Hutschenreuther aufgenommen hatte, waren 2008 immer noch 1500 Beschäftigte in 3 deutschen Werken tätig. Der Umsatz – inzwischen stark fallend - lag bei 160 Mio Euro. Bei fast 10% vom Umsatz operativem Verlust und etwa 1 Jahresumsatz Gesamtverschuldung musste im Januar 2009 Insolvenz angemeldet werden. Ausgelöst wurde sie durch die Pleite der Muttergesellschaft Waterford-Wedgwood, mit der die finanzielle Stütze weggebrochen war. Danach übernahm der italienische Konzern Sambonet die interessanten Teile; somit gibt es die Marke Rosenthal heute noch. Für 2012 wurde eine Mitarbeiterzahl von 900 angegeben. 2016/17/18 wurden Verluste erwirtschaftet.

Villeroy & Boch (Marken V&B, Gallo, Heinrich)

Der Marktführer behauptete sich in den 90er Jahren in der Sparte Tischkultur bei etwa 500 Mio. DM Umsatz (ohne Fliesen, ohne Sanitär) und schrieb eine schwarze Null. Neidvoll dachten wir, dass auch der schlechteste Markt 1 Riesen ernährt, wenn dieser so stark ist, dass kein Händler auf ihn verzichten kann. Natürlich nahm die inländische Eigenfertigung auch bei V&B ständig ab. Im Januar 2008 stand im Spiegel, dass auch bei V&B der Inlandsumsatz allmählich auf die Hälfte gefallen sei.

Der Konzern lebt heute hauptsächlich von der Bad- und Kücheneinrichtung, inkl. Möbel, Sanitärobjekte, Lampen und Bodenbeläge, nachdem die ehemals in Deutschland marktführende Fliesensparte in die Türkei verkauft wurde.

Porzellanfabrik Friesland

Friesland, vormals Melitta, ist Hersteller von Porzellan und Keramik im mittleren Preissegment. Man war gut vertreten Im Fachhandel und in Kaufhäusern. Hatte in den 70er Jahren noch 700 Mitarbeiter, bis 1991 auf 300 gefallen, wurde dann in zwei Tranchen an ein Management Buy Out übergeben, allerdings unter Übernahme von mehr als 2 Mio DM jährlicher Firmenpensionslasten, worüber sich ein Insider heftig beklagte.

2004 kam die erste Pleite bei noch 170 Mitarbeitern, 2005 die nächste bei noch 80 Mitarbeitern. Die Produktion dürfte analog zurückgegangen sein. Hergestellt wird mit 50 Mitarbeitern (Angabe 2018) im Wesentlichen immer noch das Programm der 1980er Jahre, mit den alten Formen und den alten Maschinen. Nachdem der früher dominierende Facheinzelhandel nicht mehr existiert, stützt sich der Vertrieb auf Großmöbelhäuser, Werksladen und Onlineshop. Wie es funktionieren soll, ein derart zu großes Gehäuse auch nur warm zu halten, oder gar Geld zum investieren zu verdienen, bleibt für Fachleute rätselhaft. Folgerichtig sollte dann auch zum 1. März 2019 wieder einmal der Betrieb komplett geschlossen werden, bis in letzter Minute die holländische Firma ROYAL GOEDEWAAGEN das nötigste Geld zur Übernahme locker machte.

2022 ist Friesland immerhin "noch am Leben" - mehr ist nicht bekannt. Ein ehrlicher Betriebsrundgang dort würde den Verfasser brennend interessieren.

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