Keramik Manufaktur Kupfermühle
25551 Hohenlockstedt, Gleiwitzer Straße 14
Die Firmengeschichte 1998 Teil 7
Meißen Porzellan, besonders lehrreich
Die Weltmarke Meißen hatte die DDR-Wende überstanden, kränkelte aber heftig und wird bis heute vom Freistaat Sachsen am Leben gehalten. Die Belegschaft ist von 1800 vor der Wende über 650 nach der Wende auf 300 geschrumpft. In den Nullerjahren machte man etwa 20% vom Umsatz Verlust, und es gab Überlegungen, nur noch eine Art historische Schauproduktion mit etwa 100 Leuten überleben zu lassen, um die Verluste auf ein für Sachsen nachhaltig tragbares Niveau zu drücken.
Ein forscher Geschäftsführer versuchte in den Jahren ab 2008 die Flucht nach vorne. Der weltweit bekannte Name Meißen sollte für eine Expansion als Händler exklusiver Waren im Bereich Einrichtung und Lifestyle genutzt und als Top-Premium-Designmarke etabliert werden. Vorbilder waren Gucci u.a. und die gut laufenden Uhrenmanufakturen, soweit sie die Quarzuhrschwemme der 80er und 90er Jahre überlebt haben. Dort wird klotzig Geld verdient.
Man investierte unter der Marke Meissen Couture mutig in Werbekampagnen und Flagship-Stores in Paris und New York mit Vertriebszentrale in Mailand, zu ausufernden Kosten - und ohne jeden Erfolg. Das Experiment wurde nach 5 Jahren abgebrochen, Geschäftsführung und Aufsichtsrat 2015 gefeuert. Die Folgen waren katastrophal, für 2016 wurden 15 Mio Euro Verlust gemeldet, für 2017 5 Mio. Bis dahin waren 50 Mio Verlust aufgelaufen.
Als Kernursachen des Desasters lassen sich drei Irrtümer identifizieren: 1) Eine Luxusmarke, die zu den absurd überbezahlten "Must Haves" gehört und 90% "Nebenkosten" tragen kann, lässt sich nicht künstlich erschaffen. Sie entsteht durch eine Kette günstiger Zufälle und richtiger Entscheidungen im Laufe von Jahrzehnten. Zeitgleich scheitern 1000 andere, die keiner sieht und keiner kennt. 2) Der Name Meissen steht für barockes Porzellan, ein Produkt von vorgestern für Damen über 70 und Sammler über 80. Seine Zugkraft wurde grandios überschätzt. 3) Der Vergleich mit Uhrenmanufakturen verbietet sich. Die machen keine Zeitmesser, sondern Männerschmuck. Die besonders teuren Schweizer Hersteller verkaufen praktisch nur noch Statussymbole auf einem künstlich stark unterversorgt gehaltenen Luxusmarkt. Der ehemalige Porsche-Chef Wiedeking soll mal gesagt haben: "Wir verkaufen keine Autos, wir verkaufen die Marke Porsche, das heißt Image und Status. Räder und Motoren sind eigentlich unwichtig". Das lässt sich auf die Uhrenmanufakturen direkt übertragen, und damit hat er die Geschäftsgrundlage der obersten Luxussegmente stimmig beschrieben.
Einige Jahre nachdem das große Meißen-Projekt den Bach runter gegangen war, gab es eine Fernsehdokumentation darüber, in der auch Akteure der Manufaktur und Lokalpolitiker zu Wort kamen. Die hatten vor Jahren Konzept und Finanzierung abgenickt, durchaus in der Erkenntnis, dass sie damit auf das allerletzte Pferd setzten. Dass dieses Tier längst verendet war, konnten sie als marktferne Laien nicht erkennen.
Die heutige Lage bietet keine Perspektiven. Alles hängt davon ab, zu welcher Dauer-Alimentierung der Freistaat Sachsen langfristig bereit ist.
Die Steingutindustrie muss wegen ihrer einstmals großen Bedeutung erwähnt werden. Von den Herstellern Wächtersbach, Meyer Schramberg, Zell Harmersbach und diversen ostdeutschen Fabriken ist nichts geblieben. Neben den Werken sind auch die Marken vom Markt verschwunden. Außer Wächtersbach, heute eine unter altem Markennamen segelnde Fremd- und Importproduktion von geringem Umfang.
Fazit: Dieser Markt ist in bleibender Bedeutungslosigkeit angekommen.
Es geht zu Ende mit der KMK
Im hauseigenen Kleinverkauf der KMK wird das gewünschte Preisniveau mit 40 - 50% vom Fachhandelspreis Mitte der Neunziger Jahre noch getroffen, weil die Ware hier nur geringe Vertriebskosten und keine Handelsspanne tragen muss. Hier sind die Rückgänge mäßig, aber vom Zubrot kann man nun einmal nicht leben. Die KMK ist keine Töpferei; ihre Betriebsgröße zwingt zum Verkauf über den Einzelhandel. Schwarzgeschäfte im Familienverbund können keine Lösung sein, wenn am Monatsende immer 250.000 DM Personalkosten zu zahlen sind.
Draußen bei den Einzelhändlern geht es aber rapide abwärts, und so kann auch ein "Verkauf" der KMK zum Nulltarif nicht gelingen. Die angesprochenen Wettbewerber sind mit ihrem eigenen Überleben voll ausgelastet; nur jeder zweite antwortet überhaupt. Das war kaum anders zu erwarten, denn seit Jahren wird in dieser sterbenden Branche nur mehr zu gemacht und kaum noch eine Firma übernommen, schon gar nicht als Produktionsbetrieb. Auch wir machen nur noch 50% des Umsatzes, der Gewinn versprechen würde. Der lange Prozess des Verhungerns geht nun zu Ende.
Es hat keinen Sinn, an jedem Arbeitstag 3.000 DM neue Schulden zu erwirtschaften, wir sind ja nicht Vater Staat, und diese Situation wird bei Vorlage des 97er Jahresabschlusses mit den beiden Hausbanken offen besprochen. Obwohl immer bestens informiert, sind sie jetzt doch überrascht. Dass ein Betrieb mit 60% Eigenkapital und deutlichem Abstand von eingeräumten Kreditlinien de facto mausetot ist – das kommt selten vor und passt in kein Schema. Wahrscheinlich bereuen sie jetzt, nicht auch die beiden Privathäuser der Nawothnigs als Sicherheiten verlangt zu haben. Die hätten sie allerdings nicht bekommen, das hätte keinen Sinn mehr gemacht. Dann wäre eben ein oder zwei Jahre eher Schluss gewesen.
Die Banken können nicht anders, sie fordern Kredite und Kontokorrent zurück, insgesamt am Stichtag knapp 1 Mio. DM. Gemessen an anderen Pleiten wahrlich Peanuts, aber entscheidend ist, dass ein „Unternehmen ohne Markt“ seine Daseinsberechtigung verloren hat.
Auf einer Betriebsversammlung am Freitag, dem 3. April 1998 wird das Unvermeidliche bekannt gegeben. Die regionalen Medien bringen die Pleite in großer Aufmachung, was im Kleinverkauf schon am nächsten Morgen und über Wochen hinweg den größten Ansturm der Firmengeschichte auslöst. Jeder will ein letztes Mal seine Serien ergänzen und „Ausverkauf“ zieht noch mal extra.
Als sich das abzeichnet, wird die Belieferung des Handels abrupt eingestellt und das Telefon auf Anrufbeantworter mit Pleite-Ansage umgestellt. "Liebe Kunden, wir können nichts mehr für euch tun, der Kleinverkauf bleibt geöffnet." So ähnlich.
Zwei Drittel des Lagerbestandes gehen in weniger als einem Monat zu vollen Preisen im Barverkauf weg. Erst viel später wird klar, dass nur diese frühzeitige Entscheidung im Sinne von "Bargeld lacht ohne Abschläge" die Zahlung eines Sozialplans aus der Insolvenzmasse ermöglicht hat.
Am Montag, 6. April 1998 stellt der Geschäftsführer Konkursantrag.
Es folgen zwei wilde Tage, bis am Mittwoch Mittag endlich der vom Gericht bestellte Hamburger Konkursverwalter Henningsmeyer erscheint und noch am selben Tag feststellt, dass der Betrieb am Markt keine Chance mehr hat und aufgelöst werden muss. Der Geschäftsführer bleibt als Abwickler für ihn und die Gläubiger noch 3 Monate stundenweise tätig. Für die Monate März, April und Mai zahlt das Arbeitsamt der Belegschaft Konkursausfallgeld. Bis zum 24. April läuft noch eine stark ausgedünnte Rest- und Ergänzungsproduktion, um den Lagerbestand abzurunden und fast fertige Teile nicht wegschmeißen zu müssen. Am 31. Mai ist die gesamte Belegschaft freigestellt, im August endet der Ausverkauf. Bis Oktober haben Maschinenhändler aus Portugal Technik und Formenpark komplett ausgeschlachtet. Für Appel und Ei versteht sich, weil auf dem Versteigerungstermin der vom Konkursverwalter beauftragten Firma Angermann kaum mehr als Schrottpreise geboten werden und daher ein Gesamtgebot der Portugiesen den Zuschlag erhält. Sie zahlen rund 5% vom Neuwert des Maschinenparks.
Die Gebäude stehen noch ein Jahr leer, bis die Banken das ihnen als Kreditsicherheit zugefallene Anwesen verkauft haben. Sie kommen mit etwa 100.000 DM Verlust davon. Diverse Lieferanten haben summa summarum 50.000 DM eingebüßt. Härter trifft es die Handelsvertreter, die eine wichtige Einkommensquelle und ihre Investition in diese Vertretung verloren haben. Der Belegschaft wird später aus der Konkursmasse ein bescheidener Sozialplan von durchschnittlich 3700 DM pro Nase gezahlt. 50 Arbeitsplätze sind vernichtet – kein Hahn kräht danach. Die Globalisierung frisst in Deutschland zu dieser Zeit täglich ein Dutzend solcher Firmen.
Damit ist die KMK Ende 1998 körperlich abgewickelt und Geschichte. Dass die Portugiesen versucht haben, Ware nachzuproduzieren, ist unwahrscheinlich. Sie hatten es den KMK-Kunden per Rundschreiben angekündigt, aber dann hörte man nichts mehr davon. Kein Wunder, denn nie fragte jemand nach dem speziellen Know How der Mattglasurtechnik, das die KMK-Ware unverwechselbar gemacht und über Jahrzehnte vor Nachahmungen geschützt hatte. Nicht mal die Rezeptbücher und -dateien oder die Brennprogramme hat jemand sehen oder mitnehmen wollen. Dumm gelaufen, aber egal, sie hatten ohne die trainierten Fachkräfte ohnehin keine Chance.
Das Insolvenzverfahren wurde im Frühjahr 2002 abgeschlossen. Es wurden keine Prozesse geführt, es gab keine staatsanwaltlichen Ermittlungen und keinen Offenbarungseid, allerdings hässliche Zeitungsartikel und unerträglich dummes Gerede im Ort.
Aus den Gerichtsakten sind hier die wichtigsten Posten der Abrechnung genannt:
Einnahmen
Ausverkauf vor Ort 435.000 DM
Einzug von Außenständen 275.000 DM
Versteigerung Maschinen und Formen 180.000 DM
Postbank-Guthaben und Zinserträge 60.000 DM
Erstattung Vorsteuer 35.000 DM
sonstige Verkäufe 20.000 DM
Ausgaben
Konkursverwalter (=Sequester + Inkassobüro) 235.000 DM
Arbeitsamt, Erstattung Konkursausfallgeld 191.000 DM
Sozialplan für 43 Arbeitnehmer 160.000 DM
Sozialbeiträge an 7 Krankenkassen 128.000 DM
„Zubehörhaftung“ für Banken (Absonderung) 115.000 DM
Auslaufbetrieb, Restpersonal, Abbaukosten 95.000 DM
Versicherungen, Akteneinlagerung 34.000 DM
Vergütung Gläubigerausschuss 26.000 DM
Kapitalertragsteuer 10.000 DM
Gerichtskosten 10.000 DM
Immobilien
10.000 qm Gewerbegrundstück und 3.000 qm Gebäude fielen den Banken zu, da sie als grundbuchliche Kreditsicherung nicht zur Konkursmasse gehörten. Der Verkauf brachte eine knappe halbe Million DM, so dass sich Kredite und Zinsen am Ende nur zu 80% abdecken ließen.
Das war’s. Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit.
Unter WWW.KMK.Golz.info finden Sie noch mehr zur KMK. Diese Seite eines Liebhabers stellt rund 50 Keramikserien in Bildern vor, dazu viele Prospektseiten, die sich beim draufklicken öffnen. Wer bei ebay KMK-Ware sucht oder anbieten will, sieht bei Golz Abbildungen, Artikelnummern, Größenangaben und zeitliche Einordnung. Ab 1975 ist die Sammlung ziemlich komplett.
Ebay, Kleinanzeigen.de und Etsy sind die Marktplätze für KMK-Ware. Wer bestimmte Teile sucht, muss viel Geduld haben. Mengenmäßig geht das meiste für billigstes Geld weg, sogar Sammlerware aus den 50er Jahren. Es gibt aber auch relativ teure Dinge. Das sind in erster Linie Serien-Teile von INDIGO, FLAMENCO, SESAM und CASTELLO, aber auch die Platin-Malerei von SAPHIR und RUBIN. Original erhaltene Brottöpfe und Henkelbecher wurden 2015 noch bis zum Neupreis gehandelt.
Eine umfangreiche Sammlung von KMK - Keramik findet sich im Kreismuseum Prinzesshof in Itzehoe. Die inzwischen leider ausgeschiedene Leiterin Dr. Miriam Hoffmann hatte dieses Sammelgebiet für sich entdeckt und den Aufbau damit begründet, dass derzeit nach nur einer Generation noch viele Stücke ortsnah und preiswert zu haben sind. Das ermöglicht ein Gesamtbild, das in späterer Zeit keine Chance mehr hätte. Leider ist die Sammlung (Stand August 2024) noch nicht systematisch aufgenommen und somit nicht ausstellungsfähig.
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